79 Oskar Kokoschka. Die traeumenden Knaben.

Mit Widmung für einen Kritiker

Wien, Wiener Werkstätte 1908. Mit acht farbigen Lithographien und drei Strichätzungen, davon eine als Deckelvignette. Golddurchwirkter Originalleinenband mit montierter Deckelvignette und Kordelheftung. In Leinenkassette mit Lederrückenschild.

Description

Eins von 225 Exemplaren, die im Originaleinband der Wiener Werkstätte ausgeliefert wurde. Auf dem Widmungsblatt mit eigenhändiger Widmung des Künstlers, »für [M. Mell] O Kokoschka«. Der Name des Bedachten wurde später ausradiert, ist jedoch unter Streiflicht und Lupe sichtbar. Max Mell (österreichischer Dichter und Publizist, 1882–1971) kannte Kokoschka aus der gemeinsamen Arbeit im Wiener Kabarett Fledermaus. Für eine Rezension der »Träumenden Knaben« sandte ihm Kokoschka Korrekturbögen zu (Brief an Max Mell, Juni 1908). Kurze Zeit später erschien Kokoschkas überschwängliche Rezension unter dem Titel »Chaos der Kindheit« in der Berliner Zeitschrift »Die Zukunft«. – Gut vorstellbar, dass ihm der dankbare junge Kokoschka daraufhin ein Exemplar seines Buches widmete, ebenso denkbar auch, dass Max Mell, der sich bereits 1933 von den Kritikern der Bücherverbrennung abwandte und später als Präsident des »Bundes Deutscher Schriftsteller« den Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland begeistert begrüßte, seine frühere Beziehung zu dem inzwischen als »entartet« diffamierten Kokoschka leugnen und verbergen wollte. Erste Veröffentlichung Kokoschkas, gewidmet seinem Lehrer Gustav Klimt. 1907 erhielt er vom damaligen Leiter der Wiener Werkstätte Fritz Waerndorfer den Auftrag, »ein Kinderbuch zu zeichnen; es sollten farbige Lithographien sein. »Jedoch nur im ersten Blatt hielt ich mich an die Aufgabe. Die anderen Blätter entstanden dann mit meinen Versen als freie Bilddichtung« (OK, Mein Leben). – Das Buch schildert die Begegnung mit dem Mädchen Li, hinter dem sich Lilith Lang (»die ich sehr liebte«), die Schwester eines Mitschülers und wie Kokoschka Studentin an der Kunstgewerbeschule, verbarg. »Eben bringt Kokoschka sein Märchenbuch, fertig und mit Text […] Weg du Popanz meines sündhaften Vorbehalts. Helle Feuer liegen an den Zwergenwäldern. […] Na servus, und das ist der Lehrer meiner Kindheit. Aber die Bilder sind glänzend.« (Fritz Waernsdorfer an den Künstler Carl Otto Czeschka). – Gedruckt wurden in Wien in den Offizinen Berger (Farblithographien) und Chwala (typographischer Text, Widmungsblatt und die beiden Vignetten) 500 Exemplare. Aufgrund der geringen Nachfrage wurden jedoch nur 225 Exemplare aufgebunden, Kurt Wolff erwarb später die Restauflage der noch ungebundenen Lithographien. – Sehr schönes, makelloses Exemplar mit bedeutender Provenienz.

24,3 : 29,8 cm. [10] Blätter.

Wingler/Welz 22-29. – Jentsch 1. – Garvey 147. – Castleman 35. – Papiergesänge 19.– Schweiger Seite 47ff.

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